Im Dschungel der Berufsaussichten

 
Zwar ist jeder für seine Karriere selbst verantwortlich, aber viele Jugendliche finden nicht genug Unterstützung auf ihrem Ausbildungsweg
 
Flensburger Tageblatt, 22.06.2011

Im Moment geht in den Köpfen der meisten Schulabgänger wohl nur eines vor – wo und wann die bestandenen Prüfungen ausgiebig gefeiert werden können. Aber die Berufsschulen, Unternehmer und Politiker mahnen, dass der Blick besser früh als spät in Richtung Berufsausbildung gerichtet werden sollte. Dabei liegt das Problem nur zum Teil bei den Jugendlichen selbst.

Fabian Geyer brachte es jetzt bei einer Fachtagung in der Eckener-Schule in Flensburg auf den Punkt: „Wir müssen die Schüler abholen!“, sagt der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Flensburg -Schleswig-Eckernförde. Eine Äußerung der CDU-Landtagsabgeordneten Susanne Herold greift er gerne auf und spricht sich ebenfalls für regelmäßige Praktika ab der siebten Klasse aus. Die Schulen könnten diese Praktika fördern und anschließend auch im Unterricht besprechen. 
 
Der Flensburger Bildungsmanager Wolfgang Sappert indes hält das für keinen guten Vorschlag: „In diesem Alter muss man sich wohl noch über die Gesetze zur Kinderarbeit Gedanken machen.“ Außerdem seien viele Jugendliche körperlich nicht in der Lage, in einigen Branchen helfen zu können, wie zum Beispiel im Handwerk. Sappert empfiehlt eher Aktionen wie den „sozialen Tag“ öfter auszurichten, wo Schüler gegen Spenden einen Tag in Unternehmen mitarbeiten.  
 
Trotzdem liegt die Verantwortung zum Teil auch bei den Schülern selbst, und nicht jeder denkt während der Schulzeit schon ans Berufsleben. Wirtschaftvertreter finden, dass genau hier der Fehler liegt. Vor allem die Vorliebe der Jugendlichen, direkt ein Studium zu beginnen, hilft den Unternehmen nicht weiter. Zu viele Ausbildungsstellen blieben unbesetzt.  Der Ende Mai in Ruhestand gegangene Flensburger DGB-Chef Helmut Hartmann hatte zum Abschied beklagt, dass 80 Prozent der Industrie-, Handels- und Dienstleistungsfirmen gar nicht ausbilden würden. IHK-Bildungsexperte Klaus Markmann nannte dagegen andere Zahlen. Nur rund 40 Prozent der Unternehmen, die ausbilden könnten, würden dies nicht tun.  
 
Also dürften sich nicht alle Unternehmen darüber mokieren, dass sie nicht genügend Bewerbungen für ihre Stellen bekommen, wo gerade die Unternehmen in der Flensburger Region in den vergangenen Jahren als vergleichsweise rege in der Ausbildungsbereitschaft waren. Das belegen auch die Zahlen: Markmann nannte aktuell 185 offene Lehrstellen für den Ausbildungsbeginn im Herbst, viele davon in der Hotellerie und Gastronomie.
 
Vor allem Real- und Hauptschulabgänger bedienen sich aus diesem Angebot. Einerseits werden vielen Abgängern Defizite vorgeworfen, andererseits seien sie sich ihrer Chancen gar nicht bewusst, da die Informationen nicht ausreichend von den Schulen bereitgestellt würden.
 
Für viele Abiturienten stellt sich diese Frage ohnehin kaum – die meisten setzen auf ein Studium an Uni, Fachhochschule oder ein duales Studium an der Berufsakademie. Oder sie starten ihre Karriere bei jenen Unternehmen, bei denen sie bereits Praktika absolviert haben. 
 
Gerade um Haupt- und Realschulabsolventen wollen sich die Bildungsexperten nun besonders kümmern. Nach Zahlen, die in der Eckener-Schule genannt wurden, steigt die Zahl der Realschulabgänger allein bis 2013/14 um 24 Prozent. Es gibt also mehr Bewerber für die gleichen Ausbildungsplätze. Dadurch dürften die Chancen jedes Jugendlichen sinken, den gewünschten Ausbildungsvertrag abzuschließen.  
 
Real- und Hauptschüler haben aber auch die Möglichkeit, sich nach ihrem Abschluss schulisch weiterzubilden. Sappert beschreibt eine dieser Möglichkeiten als „eine Ergänzung zur Oberstufe“. Bei der Ausbildung mit dem Namen „Berufsfachschule III“ erhalten die Schüler durch die Berufsschulen weiter theoretischen Unterricht, aber auch praktische Erfahrungen. 
 
Am Ende sind die Schüler Assistenten im Feld ihrer Wahl und haben die Chance auf den Erwerb der Fachhochschulreife. Damit haben manche Schulabgänger eine Alternative zur dualen Ausbildung.  
 
Kritiker weisen indes daraufhin, dass die praktische Erfahrung begrenzt sei. Deshalb raten Bildungsexperten, nach dieser Zeit noch eine duale Ausbildung oder ein Studium nachzulegen. 
 
sh:z/Flensburger Tageblatt/Text und Bild: Staudt