Aus Kabul an die Eckener-Schule

 

Fleißige Mädchen, wie Tamana Mirza, wollen schnell einen Abschluss machen und eine Ausbildung oder sogar ein Studium beginnen.

Foto: Marcus Dewanger

Aus Kabul an die Eckener-Schule

In zwei Jahren können junge Flüchtlinge ihren Hauptschulabschluss im Rahmen des DaZ-Unterrichts machen und ins Berufsleben starten

Flensburg

So schnell wie möglich Deutsch lernen, einen Schulabschluss machen und dann ins Berufsleben einsteigen – das ist das Ziel der geflohenen Jugendlichen, die am Unterricht für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) am Regionalen Berufsbildungszentrum Eckener-Schule teilnehmen. Zwei Jahre brauchen sie bis zum Hauptschulabschluss, danach wollen die meisten weitermachen, bis zum Realschulabschluss oder sogar bis zum Abitur.

Insgesamt 250 Schüler zählt der DaZ-Bereich der Eckener-Schule. Eine von ihnen ist Tamana Mirza. Die 22-jährige Afghanin lebt seit einem Jahr und sieben Monaten in Flensburg und geht seit einem Jahr in den DaZ-Unterricht von Lehrerin Andrea Krause. Während dieser Zeit hat sie Deutsch für den Alltag gelernt, was für sie nicht leicht gewesen sei. Nun ist sie im zweiten Jahr und wird dort mit der beruflichen, technischen Fachsprache vertraut gemacht. Zudem verbringt sie mit ihren Mitschülern einen Tag pro Woche in der schuleigenen Werkstatt. „Die Schüler lernen so die Sprache und das Handwerk, um beispielsweise einen Tätigkeitsbericht schreiben zu können“, sagt Krause. Im Januar und Februar ist außerdem ein Betriebspraktikum geplant. „Wir wollen den jungen Leuten einen guten Start ermöglichen“, sagt Krause. Zurzeit überlege man, Deutsch als Zweitsprache auch für Fachschulklassen anzubieten.

Sechs bis acht Stunden pro Tag drücken sie die Schulbank und pauken für ihr Ziel. Deutsch, Mathe, Informatik und Wipo steht auf dem Stundenplan. Dass alle die Prüfung bestehen, bezweifelt Krause: „Wie gehen davon aus, dass 30 Prozent durchfallen“, erklärt sie. Wer den Abschluss nicht schafft, nimmt am Unterricht der Regelklasse teil und bekommt zusätzlich noch ein paar Stunden Deutschunterricht. Das sei Krause zufolge aber nicht leicht für die Schüler, denn der Unterricht gehe sehr schnell voran.

Wie es nach dem Hauptschulabschluss weiter gehen soll, weiß Mirza genau. Sie hat ihr berufliches Ziel schon vor Augen, denn sie möchte Zahntechnikerin werden. „Ich lerne auf jeden Fall weiter und möchte den Realschulabschluss machen.“ In Kabul, der afghanischen Hauptstadt, ist die junge Frau zwölf Jahre lang zur Schule gegangen. Einen Beruf erlernen oder studieren konnte sie nicht. „In meiner Heimat können Frauen nicht einfach so arbeiten oder studieren“, erzählt sie. Umso mehr freut sie sich nun auf ihr Praktikum, das sie nutzen will, um in den zahntechnischen Bereich hineinzuschnuppern.

Doch nicht alle Schüler der DaZ-Klassen haben in ihrer Heimat eine gute Bildung genossen wie Mirza. „In diesem Schuljahr haben wir 26 Analphabeten“, sagt Krause. Andere sind nur wenige Jahre zur Schule gegangen. Wie Mohamed Khalaf. Bis zur 6. Klasse besuchte der 17-Jährige die Schule, danach ging er mit seiner Familie nach Belgien und Italien, bevor er nach Deutschland kam. An der Eckener-Schule möchte er nun den Hauptschulabschluss machen, danach den Realschulabschluss und das Abitur. Und dann? „Architektur oder Jura studieren“, sagt der ehrgeizige Syrer. Auch seine vier Jahre ältere Schwester Kima, die im Unterricht neben ihm sitzt, möchte so schnell wie möglich arbeiten. Am liebsten im Büro, erzählt sie.

Ihre Schüler seien, so Krause, sehr fleißig. Es gebe aber auch Fälle, bei denen die Motivation nachlässt. Wenn zum Beispiel jemandem die Abschiebung droht. Dann hätten die jungen Leute Angst und seien verunsichert, weil sie nicht wissen, wie lange sie sich auch in Deutschland aufhalten dürfen. Die Stimmung unter den jungen Leuten in der Klasse ist jedenfalls gut. Und alle hören fasziniert zu, als ein junger Albaner seine Gitarre auspackt und mit einem Mitschüler „Someone like you“ von der britischen Sängerin Adele anstimmt.

Tina Ludwig